Atlantik Diagonal: Martin Daldrup und seine Tour über den Ozean

Im Corona‐Sommer 2020 segelte Martin Daldrup seine BAVARIA 34 Holiday alleine von Martinique über den Atlantik nach Helgoland. Eine außergewöhnliche Reise unter außergewöhnlichen Umständen…

Die BAVARIA 34 Holiday aus 2008 überquerte mehrmals den Atlantik.

Was für eine Tour. 5130 Seemeilen, von Martinique um Schottland herum nach Helgoland. Alleine ohne Mitsegler. 42 Tage hat Martin Daldrup dafür benötigt – eine Reise, die eigentlich so gar nicht geplant gewesen war, dann aber wegen der durch Corona bedingten Umstände so gesegelt werden musste. Das Schiff: Eine BAVARIA 34 Holiday aus dem Jahre 2008. Und ihr Skipper und Eigner hat die lange Reise ganz offenbar genossen: „Um 11:30 Uhr habe ich heute die Leinen im Südhafen von Helgoland festgemacht und dabei meinen bisher längsten Schlag erfolgreich beendet. Die Fahrt ist über weite Strecken ein seglerischer Hochgenuss, immer eine navigatorische Herausforderung und in den hohen Breiten des Atlantiks manchmal auch ein wenig hart gewesen.“

Als Martin im Jahr 2013 seine BAVARIA 34, Jambo, kaufte, hatte er noch keine Blauwasserambitionen: „Die Wahl ist auf sie gefallen, weil sie viele Ausstattungsmerkmale hatte, auf die wir damals Wert gelegt haben: Rollgroßsegel für den Anfänger, eine in den Niederlanden unerlässliche Dieselheizung, ein integrierter Autopilot, der direkt auf den Ruderquadranten wirkt, sowie ein Heiß– und Kaltwasserkreislauf.“ Erst später wurde das Boot mehr und mehr ausgerüstet, je länger die Fahrten damit wurden. „Ein AIS‐Transponder ist nach unserem ersten Törn durch den englischen Kanal hinzugekommen. Danach gab es viele Dinge wie Dinghi, Außenborder, neue Batterien, EPIRB, Spibaum zum Ausbaumen der Vorsegel, Rettungsinsel, Spannungswandler (12 V auf 220 V) und so weiter. Das sind alles Ausrüstungsgegenstände, die wir schon vor Jahren für die längeren Fahrten benötigten, wie zum Beispiel nach Nordspanien."

Martin Daldrup segelt nicht immer allein...

... sondern auch gerne mit Familie und Freunden.

Im Frühling 2019 gab es dann den großen Umbau der Jambo, um sie fit zu machen für die Fahrt zu den Kanaren und darüber hinaus. Ich habe das alte Navigationssystem gegen ein modernes System ausgetauscht, einen Geräteträger und ein Bimini gebaut. Zusätzlich hat die Jambo Solarpaneele (480 Wp) bekommen, damit die Energieversorgung auf Langfahrt autarker ist und zumindest teilweise auch unabhängig von Diesel und Benzin. Ansonsten wird Strom unterwegs auch mit der Maschine oder einem kleinen Benzingenerator produziert.“ 

Jedenfalls haben sich Schiff und Ausrüstung auf diesen zwei Atlantiküberquerungen bestens bewährt. Auf der langen Segelreise gab es im Gebiet von Bermuda gleich etwas viel Wind, ansonsten jedoch geriet die Atlantiküberquerung eher zu einem Slalom-Segeln zwischen hochdruckbedingter Flautenzonen. Da Martin nicht vorhatte, tagelang durch ausgedehnte Flauten zu motoren, sondern segeln wollte, musste er immer weiter nach Norden und fand sich schon fast in Neufundland wieder, bevor er mit seiner Yacht endlich auf den ersehnten Ostkurs gehen konnte: „Im kalten Labradorstrom und in dichtem Nebel, vor Kälte zitternd ändere ich die Segelstellung und kann endlich auf östlichen Kurs gehen, um mich dem Hoch zu stellen, welches mittlerweile im Osten in nördliche Richtung zieht. Nach so vielen Tagen, fern ab vom Kurs und fast in Neufundland, ist dies der Wendepunkt und für mich wohl der tiefgreifendste Moment der ganzen Segelreise“, schreibt er in seinem sehr lesenswerten Blog.

Die Jambo beim Ankern in der Karibik.

Ausflüge mit Freunden an Land.

Dann fällt irgendwann die nächste Entscheidung. „Ich hatte diese Fahrt mit meinem Schiff als Nonstop-Fahrt geplant. Anke und ich wollten uns zwar ursprünglich auf den Azoren treffen, aber schon vor Fahrtantritt sah es aufgrund der Corona‐Krise eher unwahrscheinlich aus, dass das klappen würde. Also hatte ich von Anfang an den Kurs Richtung Großbritannien gesetzt. Mitten auf dem nördlichen Nordatlantik nach ein paar Tagen auf Nordostkurs, den Windfeldern folgend und die Flauten vermeidend, stehe ich am Scheideweg und muss mich entscheiden, ob ich nördlich oder südlich an Großbritannien vorbeifahren soll.“

Gute Gründe sprechen für die nördliche Option: „Für mich als Einhandsegler ohne Mitsegler auf einer Nonstop‐Fahrt ist der englische Kanal mit seinem Verkehr, seiner Enge und den Strömungen nur zweite Wahl. Auf der nördlichen Route bis Schottland ist freies Wasser und natürlich deutlich weniger Verkehr, was einen erleichterten Schlafrhythmus erlaubt. Aber im Juni ist es natürlich auch kalt in den hohen Breiten des Nordatlantiks und ganz besonders für den Segler, der vor ein paar Wochen noch das warme Klima der Karibik genossen hat.“ Tatsächlich hat Martin auf dieser Reise nicht nur den Atlantik von West nach Ost überquert, sondern dabei auch gleich noch 44 Breitengrade passiert: quasi eine diagonale Atlantiküberquerung. 

Welch ein Glücksgefühl für ihn, nach 42 Tagen alleine auf See in Helgoland mit seinem Schiff anzulegen. Dabei segelt Martin natürlich nicht immer alleine. „Am liebsten segle ich natürlich mit Anke oder mit meinen Segelkameraden, insbesondere, wenn es um die kurzen Schläge geht und man sich auf Landgängen neue Buchten, Städte oder Inseln anschauen kann. Die langen Ozeanpassagen auf dem Atlantik mache ich hingegen lieber alleine, da ich dafür viel Proviant und Kraftstoffe mitnehmen muss und deshalb eine der zwei Kabinen komplett als Stauraum genutzt wird. Das Platzangebot auf der Jambo ist dann nicht mehr ausreichend, um einige Crewmitglieder zum Mitsegeln mitnehmen zu können.“ 

Die Jambo wurde für ihre langen Reisen zum Beispiel mit Solarpanelen ausgerüstet.

„Als geselliger Mensch mag ich es tatsächlich auch, auf diesen langen Passagen allein auf See zu sein. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man in der Lage ist, sein Schiff alleine zu führen, die täglichen Arbeiten durchzuführen und mit der Einsamkeit klar zu kommen. Auch das Intervallschlafen, auch polyphasischer Schlaf genannt, gelingt nicht jedem. Ich tue mich nur in den ersten Tagen auf See immer etwas schwer damit, bis ich meinen Rhythmus gefunden habe. Grundsätzlich komme ich damit gut klar. Ich genieße fast jeden Tag auf See und freue mich über die besonderen Momente, bei Sonnenauf und ‐untergang oder wenn ich Wale oder Delphine sichte. Auch die Navigation ist oft sehr spannend.“

„Sorgen habe ich eigentlich keine und genieße meine Einhand‐Ozeanpassagen, ohne dass ich mich ständig daran erinnere, was passieren könnte. Trotzdem bin ich mir der Risiken bewusst, sie werden ernst genommen und finden die notwendige Berücksichtigung. Auf meiner ersten Atlantiküberquerung wurde ich schon am zweiten Tag krank. Eine Virusinfektion, die sich Anke in den Tagen vor meiner Abfahrt auf Lanzarote zugezogen hat, erwischte mich zeitversetzt auf dem Atlantik. Ich konnte das mit Erkältungsmitteln in den Griff bekommen und war nach fünf Tagen wieder fit. Also ist eine gute Bordapotheke bei einer Atlantiküberquerung in die Karibik wichtig. Es kann aber auch passieren, dass man es nicht unter Kontrolle bekommt und dann schnell einen Hafen anlaufen muss. Deshalb schaue ich mir regelmäßig an, welche Optionen ich für diesen Fall habe."

Kleine Reparaturen werden vom Skipper selbst erledigt.

Die stillen Momente auf See genießen.

„Ein weiteres Risiko ist, dass die Technik versagen oder irgendetwas kaputt gehen könnte. Auch dann muss man unter Umständen den nächsten Hafen anlaufen. Das Risiko des Überbordgehens fährt natürlich ebenfalls mit. Für den Einhandsegler wäre es das sichere Ende. Ich habe die Jambo an Deck in zwei Bereiche aufgeteilt, einen grünen und einen roten. Mein Cockpit ist der grüne Bereich. Der Geräteträger und die Bimini-Konstruktion bilden quasi einen Sicherheitskäfig, der mich gut davor schützt, über Bord zu gehen. In diesem grünen Bereich, halte ich mich hauptsächlich auf. Der Rest an Deck ist der rote Bereich, den ich nur eingeklickt betrete und mich dort sehr behutsam bewege. Hier halte ich mich so selten wie möglich auf. Obwohl ich mir der Risiken bewusst bin, fahre ich recht sorgenfrei über den Atlantik und kann es genießen.“

Ist die BAVARIA 34 Holiday das perfekte Allround‐Boot? „Ich denke, das muss jeder individuell für sich entscheiden. Denn es hängt auch stark davon ab, was der Einzelne erwartet und sich wünscht. Für mich sind die wichtigsten Aspekte Sicherheit und, dass man sich an Bord wohlfühlt. Seetüchtig ist die Jambo auf jeden Fall. Sie hat Kategorie A und ist damit hochseetauglich, was bedeutet, dass sie sich nach dem Kentern auch wieder aufrichtet. Leider ist es uns in schwerer See an den englischen Kanalinseln zweimal passiert, dass die Jambo von einer hohen und steilen Welle auf etwa 70 Grad Krängung auf die Seite geworfen wurde. Aber sie war zügig wieder oben. Unfreiwillig haben wir damals das Aufrichtverhalten getestet. Die Jambo ist auf Langfahrt für mehrere Monate mein Zuhause und ich fühle mich an Bord sehr wohl, denn ich habe sie für meine Bedürfnisse ausgerüstet. Das was mir noch fehlt, rüste ich nun nach. Jedoch passt das auch nicht für jeden, da jeder andere Vorstellungen und andere Bedürfnisse hat. Ein Patentrezept gibt es nicht.“ 

Mehr über die Jambo und ihre Crew auf www.mjambo.de und auf YouTube: M Jambo.

 

Impressionen