Um die Welt segeln: Alaska
Ein englisches Paar segelt seit Jahren mit ihrem Bavaria Ocean Segelboot durch die Welt. Die letzten zwei Jahre verbrachte es damit, Alaska zu erkunden.

Die BAVARIA Segelyacht von Marie und Dave Ungless in Alaska.
Eine „Elfenbucht“ voller Hippies, jedenfalls sagen sie das in Hoonah. Eine verlassene Goldmine mit einem uralten Geist. Dazu Wale und Wölfe, Bären und Biber. Gletscher, Berge, dichte Wälder – Alaska hat alles, und noch ein bisschen mehr. Allerdings ist es auch nicht gerade das typische Segelrevier, denn das Wetter und das Wasser können dort ganz unangenehm wütend werden. Stromschnellen in den Engen der „Inner Passage“, plötzliche Fallböen, die an Land von den Hängen der Berge hinab gedonnert kommen, Eis in der Glacier Bay. Kein Segelrevier für Anfänger oder Angsthasen. „The last frontier“, die letzte Grenze, wird diese Region auch gerne genannt. Aber diejenigen, die es doch hierher verschlägt und die dafür eine lange und schwierige Anreise auf sich nehmen, werden auch reich belohnt. Das fanden auch Marie und Dave Ungless heraus, die zwei Jahre in Alaska verbrachten während ihrer „verkehrten“ Weltumsegelung, nämlich ostwärts, die immer noch andauert und die vor 12 Jahren eher aus Versehen begann.

Marie und Dave Ungless auf ihrer BAVARIA Segelyacht.
Von Dubrovnik aus um die Welt segeln
„Wir haben unser Segelboot, die 15 Meter lange Bavaria Ocean namens Sänna, übrigens eine der ganz wenigen mit einem Achtercockpit, in Dubrovnik gekauft und sind dann von dort nach Süden gesegelt“, erklärt Dave. Nachdem sie viel Zeit in Griechenland, Italien und der Türkei verbracht hatten, stand der Wind für sie günstig, um weiter nach Süden zum Suez Kanal zu segeln. Durch das Rote Meer zu kommen, dauerte sechs Monate, in ihrem Webblog schrieben die beiden von „Ankern in der Wüste, einsamen Riffen und der unbestreitbar freundlichen muslimischen Kultur“. Und weiter: „Nach einem nicht geplanten, längeren Winteraufenthalt im Jemen, wo wir auch unsere Segel nach einem schweren Sturm im südlichen Roten Meer reparierten, waren wir gut vorbereitet auf die Überquerung des Indischen Ozeans. Nachdem wir vom Jemen über Aden dort angekommen waren, verließen wir Sallala, Oman, im Februar 2008. Unsere 2000 Seemeilen im Nordost‐Passat war unsere erste lange Ozeanüberquerung und wir erkannten, dass unser Boot und auch wir gut in der Lage wären, noch viel weiter über die Meere zu segeln!“
Von Sri Lanka nach Thailand
Das taten sie dann auch. Nach fünf Monaten in Sri Lanka standen die Passatwinde günstig, um die Reise fortzusetzen und durch die Andamanen und Nicobar Inseln nach Malaysia und Thailand zu steuern. Dort war es auch, wo die beiden sich entschieden, weiter zu reisen und ihre ungewöhnliche Weltumsegelung gegen die vorherrschenden Winde und Strömungen fortzusetzen. Zunächst verbrachten sie aber noch zwei Jahre in Südostasien, wo sie auch ihr Boot überholten und modifizierten.
Schließlich ging es weiter, nach Singapur, Borneo und den Philippinen, wo sie wieder einmal sehr viel Zeit verbrachten: „Wir verloren uns in einem idealistischen Lebensstil, erforschten diese wunderbare Ecke der Welt und wurden immer mehr zu Eingeborenen. Erst als wir weiter nach Süden segelten, durch entlegene Gebiete des östlichen Indonesiens, kamen wir in Darwin, Australien, 2010 wieder mit der „ersten Welt“ und der westlichen Kultur in Kontakt. Sturmschäden vom Hurrikan Carlos hielten uns noch länger in Darwin fest, bevor wir wieder die Segel setzten und gegen den Ostpassat ankreuzten, entlang des Great Barrier Reef bis nach Brisbane. 2012 folgte eine besonders harte Überfahrt nach Neuseeland, wo wir unsere Halbzeit erreicht hatten und, am südlichsten Punkt unserer Reise, eine Erholungspause einlegten.“
Von Neuseeland ging die Reise dann direkt nach Alaska. Naja, fast. Die direkte Strecke wären unglaubliche 9000 Seemeilen einmal diagonal über den Pazifik gewesen, von Westen nach Osten und von der südlichen auf die nördliche Halbkugel. Aber zum Glück liegen ja verlockende Etappenziele auf diesem Weg, nämlich die Inseln Französisch‐Polynesiens und Hawaii, wo die beiden wieder einmal zehn Monate lang hängen blieben.

Blick von der BAVARIA Segelyacht in eine Bucht in Alaska.
Endlich Alaska
Aber dann, zwei Jahre das fantastische Land Alaska. Ein Highlight auf der berühmten Inside Passage ist der Glacier Bay Nationalpark. Dies ist Heimatland, ein natürliches Labor, ein Nationalpark, eine ausgewiesene Wildnis, ein Biosphären‐Reservat und ein Weltnaturerbe. Es ist auch ein Marinepark, wo man per Boot große Abenteuer erlebt beim Erforschen der kleinen Buchten, Inseln und versteckten Ankerplätze. An Land locken dagegen die schneebedeckten Berge, die spektakulären Gletscher, die dunklen und tiefgrünen Wälder. Von den Gipfeln bis zum Meeresboden ist Glacier Bay eine dynamische, entlegene und intakte Wildnis.
Diese fantastische Welt aus Fjorden, zerklüfteten Ufern und kühlem Regenwald kann man mit dem eigenen Boot erkunden, was auch Sänna tat, jedoch ist der Zugang für private Yachten zahlenmäßig beschränkt und man muss dazu eine Genehmigung einholen. Doch gleich außerhalb des Nationalparks scheint die Insel Chichagof mindestens genauso attraktiv zu sein. Sänna verbrachte sogar einen Winter in der Marina von Hoonah, unter den wachsamen Augen einiger freundlicher Anwohner, während Marie und Dave nach England flogen, um ihre Freunde und Familien zu besuchen. Über Chichagof schreibt Dave: „Die Insel ist gebirgig, dicht bewaldet, entlegen und wild. Sie hat die höchste Konzentration an braunen Grizzlybären, fast drei Stück pro Quadratmeile. Im Wasser findet man die meisten Buckelwale, während Herden von Orcas oft die vielen einsamen Fjorde aufsuchen. Wölfe, Rotwild und Adler suchen ständig die Ufer nach Nahrung aller Art ab.
Pelican: Juwel im im Nichts
Und dann liegt mitten in diesem Fast‐Nichts die kleine Ansiedlung Pelican. Das ist, glaubt es mir, anders als alles, was man sich vorstellen kann. Pelican ist ein berühmt‐berüchtigtes Juwel, welches nur die Menschen von hier kennen, und in Alaska mag man nun wirklich keine der so genannten Reise‐Experten, die immerzu auf der Suche nach dem nächsten Geheimtipp sind. Es gibt keine Straßen nach Pelican, es gibt hier überhaupt keine Straßen. Es gibt auch keine Fahrzeuge. Nun ein überwältigend malerisches Dorf, auf hölzernen Stelzen zwischen Berghang und Ufer gebaut, einst wegen der heruntergekommenen und geschlossenen Fischkonservenfabrik, deren Reste immer noch in die See bröckeln. Der einzige Weg nach Pelican führt über das Wasser. Und selbst dann müssen die waghalsigen Seeleute die entsetzlichen Stromschnellen mit 12 Knoten Strömung in der Enge von Inian passieren, um überhaupt in die Nähe zu kommen. Es führt kein einfacher Weg nach Pelican.“
Natürlich mussten dann auch diese beiden Segler nach Pelican reisen. „Wir setzten die Segel und steuerten Sänna so bald wie möglich von Hoonah aus dorthin. Wir passierten die Enge von Inian bei Stauwasser, wie die Fischer es uns erklärt hatten. Es ist ein wilder Ort. Es ist auch ein wunderhübscher Ort. Und man trifft dort auf ganz ungewöhnliche Menschen. Tatsächlich, wenn dies von nichtsahnenden Touristen entdeckt würde, wäre die Magie sicherlich dahin. Die wilden Gerüchte über nackte Wettläufe auf den gefrorenen Brettern des Holzstegs in den späten Nachtstunden sind wahr. Die Erzählungen von rauen Bluegrass‐Fiedeln und Oben‐Ohne Tänzen auf den Tischen in Rose’s Bar sind nicht gelogen, ebenso wenig wie die über die endlosen Lokalrunden für tausende von Dollar, wenn die betrunkenen Fischer, die endlich vom wilden Pazifik zurück sind, die große Glocke über der Bar läuten und dann rückwärts umfallen und von der lachenden Menge aufgefangen werden. Und das alles an einem Dienstagabend. Draußen sitzt ein lebendiger Grizzly in der Wärme des Außenklos und schaut dir beim Pinkeln zu, während du versuchst, die Welt aus deinen unfokussierten Augen neu zu sehen. Und die Mädchen, ja, die sind freundlich genug, du wirst ganz sicher das Mädchen deiner Träume heiraten, wenn du nur lange genug in Pelican bleibst. Der Priester und der Medizinmann, sie sind die besten Freunde. Sie trinken gemeinsam ihren Whisky und streiten dabei dauernd über den Gott des jeweils anderen.“

Die BAVARIA Ocean Segelyacht vor Anker in einem Hafen in Alaska.
Zwischenstopp in Elfin Cove
Weiter schreibt Dave: „Auch Elfin Cove kann man nur per Boot erreichen. Tatsächlich ist Elfin Cove ein guter Zwischenstopp etwa auf halben Weg von Hoonah aus nach Pelican. Wenn man jedoch zu lange in Elfin Cove bleibt, besteht die Gefahr, dass man zum Eingeborenen wird. Das meinen sie jedenfalls in Hoonah, wenn sie dir sagen, dass in Elfin Cove nur Hippies wohnen. Tatsächlich meinen sie, dass die Leute hier etwas komisch im Kopf seien, aber das fanden wir nicht, als wir Sänna dorthin segelten. Klar, die Leute in Elfin Cove sind schon anders, aber in einer respektablen Art. Sie sind ganz und gar eigenständig, sie brauchen weder Fernsehen noch Internet und sie leben mit sich selbst auf eine Art, die nur schwer zu erklären ist. Wir selbst konnten sie, vielleicht, zu einem gewissen Grad verstehen, weil wir eine ähnliche Abgeschiedenheit kennen, wenn wir lange auf See sind. Aber hier leben sie diese Ungestörtheit als Gemeinschaft, nicht auf individueller Ebene.“
Zu Hippies wurden Dave und Marie in Elfin jedenfalls nicht. Als wir sie aufspürten um Kontakt aufzunehmen, waren sie gerade auf dem Weg nach Süden, entlang der amerikanischen Westküste, Kurs: Panama. Oder?

Die BAVARIA Ocean Segelyacht in einer der Elfin Cove in Alaska.
Segelt ihr nach Panama? Und dann von dort wie weiter?
Dave Ungless: Von Hawaii aus kamen wir auch deswegen nach Alaska, weil wir eigentlich versuchen wollten, durch die Nordwestpassage zu gehen. Ich habe schon früher auf GFK‐Yachten in hohen Breitengraden gesegelt und obwohl das nicht einfach ist, wäre es durchaus möglich; vor allem wegen der immer einfacher werdenden Eisverhältnisse dank der globalen Erwärmung. Allerdings hatten wir so viele Probleme mit unserem Motor, dass das Risiko damit zu hoch gewesen wäre. Nun haben wir den alten Motor durch einen neuen Yanmar Diesel ersetzt aber dafür mussten wir bis nach Port Townsend in den Süden reisen, wodurch wir eine weitere Saison verloren hätten, wollten wir doch noch die Nordwestpassage versuchen. Nun haben wir die einzig andere Alternative gewählt, nach Süden bis Panama und dann durch den Kanal nach Osten. An Panama vorbei nach Süden zu segeln ist für uns keine Option, wegen der ungünstigen Winde und des Humboldt‐Stroms. Und dann, wer weiß? Wir machen niemals langfristige Pläne, weil die sich sowieso immer ändern.
Habt ihr eigentlich Waffen an Bord?
Dave Ungless: Nein, wir sind nicht bewaffnet und als Engländer sind wir gegen Feuerwaffen an Bord. Darüber mussten wir mit Amerikanern und Seglern auf amerikanischen Booten oft und lange diskutieren, die unweigerlich immer bis an die Zähne bewaffnet sind. Wir sehen keinen Grund dafür und haben nie eine Situation erlebt, wo wir Waffen irgendeiner Art gebraucht hätten. Als Schutz vor Bären haben wir Spray und einen Taser, was aber beides nicht gut funktioniert. Allerdings funktioniert unsere Drohne, die wir für unsere Filmaufnahmen einsetzen, die Bären flüchten immer vor der Drohne – das haben wir erst entdeckt, als wir auf Chichagof zum zweiten Mal von Bären gejagt wurden…
Was hat euch in Alaska am meisten beeindruckt? Würdet ihr wiederkommen wollen?
Dave Ungless: Es bricht uns das Herz, Alaska zu verlassen. Die unberührte Wildnis, die einsamen Ankerplätze und unglaubliche Landschaft. Das gilt auch für das nördliche British Columbia und für Kanada. Aber wegen der US Zollgesetze haben wir zeitliche Beschränkungen in Bezug auf das Boot, und diese wurden von den Behörden für uns schon so weit wie irgend möglich ausgedehnt. Das einzige wirkliche Problem hier ist der unerbittliche Vormarsch der Kreuzfahrtschiffe, die große Gebiete beschädigen und ruinieren, aber vermutlich lässt sich das nicht aufhalten.
Wie lange seid ihr schon mit Segelboot Sänna unterwegs?
Dave Ungless: 12 Jahre und immer noch weiter.
Habt ihr mittel‐ oder langfristige Pläne?
Dave Ungless: Haben wir nicht. Unser größtes Problem sind die Freunde, die wir zurücklassen und wir brauchen immer wieder Zeit, uns daran zu gewöhnen. Ich würde gerne ins Mittelmeer zurück, aber meine Frau Marie möchte lieber in den Südatlantik, also werden wir vermutlich dorthin segeln.
Über Sänna: Warum habt ihr genau dieses Schiff gekauft, wonach habt ihr gesucht?
Dave Ungless: Ich suchte eine gute, ozeantaugliche Yacht und hatte mein Auge auf eine Swan oder ältere Oyster geworfen. Dann aber berichtete mir ein guter Freund, der auch Yachtkonstrukteur und Gutachter ist, von dieser Bavaria Ocean die er mir wärmstens empfahl. Sie lag in Dubrovnik und damals hatte ich nicht wirklich an eine Bavaria gedacht. Sie war und ist aber eine sehr gute Wahl. Wir hatten sehr wenige Probleme, höchstens mit den Ruderlagern die ganz einfach verschlissen waren und die wir in Borneo erneuert haben.
Welche Dinge am Schiff habt ihr verändert?
Dave Ungless: Wir haben unterwegs einige Modifikationen vorgenommen, viele davon einfach notwendig für unser dauerhaftes Leben an Bord, wie zum Beispiel Solarpaneele, Windgenerator und einen großen Wassermacher. Andere Dinge betrafen das Ozeansegeln, wie zum Beispiel unsere Kutterfock am inneren Stag, die wir lieben. Wir hatten auch zwei Knock‐downs bei schwerem Wetter, also haben wir einiges beim Stauraum angepasst. Einen fest installierten Generator hatten wir schon, das war ein großer Bonus. In Alaska haben wir gerade mit einer Renovierung unter Deck begonnen, weil wir da so leicht an wunderbares Zedernholz kamen, das nach unseren Vorgaben geschnitten ist.